Franz Schmidt & Haensch: Mittleres Mikroskop


Mikroskop Franz Schmidt und Haensch Berlin No. 275 Mikroskop Franz Schmidt und Haensch Berlin No. 275 Mikroskop Franz Schmidt und Haensch Berlin No. 275 Mikroskop Franz Schmidt und Haensch Berlin No. 275

Mikroskop Franz Schmidt und Haensch Berlin No. 275

Mittleres Mikroskop von Franz Schmidt & Haensch; Stativ No. 4 um 1870 im Kasten. Das Mikroskop besteht aus zaponiertem und geschwärztem Messing und gebläutem Stahl. Die grobe Einstellung wird über einen Schiebetubus mit variablem Anschlag ermöglicht, der Feinfokus durch ein Rändelrad an der Säule erzielt. Das Stativ ist um die optische Achse drehbar, der Tubus ist zum Ausziehen konstruiert. Die Beleuchtung erfolgt über einen vierfach gelagerten Plan- und Konkavspiegel, zur Abblendung dient eine Zylinderlochblende in Schwalbenschwanzführung.

Die Okulare Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 sind im Stile des großen Berliner Instrumentenbauers F.W. Schiek nummeriert. An weiterer optischer Ausstattung dieses Mikroskops findet man ein dreiteiliges Satzobjektiv mit den Schlagzahlen 1, 2 und 3 sowie die Objektive Nr. 4 und Nr. 6.

Mikroskop Franz Schmidt und Haensch Berlin No. 275Die Signatur des Instrumentes befindet sich auf dem Fuß dem Benutzer zugewandt. Hier liest man in dekorativer Schrift:

Franz Schmidt
&
Haensch
BERLIN.
No 275

Liegend wird das Mikroskop im aufwendig gearbeiteten Mahagoni-Kasten untergebracht.

Franz Schmidt (1825-1888) und Hermann Haensch (1829-1896) gehen beide bei W. Langhoff in die Mechanikerlehre. Während Franz Schmidt nach seiner Lehrzeit bei Pawlowski in Berlin vor allem Polarisationsinstrumente baut und nach dem Tod des Werkstattinhabers dessen kleinen Betrieb 1859 übernimmt, begibt sich Hermann Haensch auf Gesellenwanderschaft. Er arbeitet unter anderem für Hofmann in Paris und Ross & Co in London. Zurück in Berlin gründet Haensch eine kleine Werkstatt und baut dort ab1861 Mikroskope. Nach Vorgaben von Rudolf Virchow konstruiert Hermann Haensch 1864 ein Trichinenmikroskop. Entsprechend schreibt der Berliner Mediziner in seiner berühmt gewordenen Schrift zur Trichinosis (Rudolf Virchow: Darstellung der Lehre von den Trichinen, mit Rücksicht auf die dadurch gebotenen Vorsichtsmaßregeln. Verlag von G. Reimer; Berlin 1864: 48-49) über die für die Trichinenschau zu verwendenden Mikroskope:

Objektive zu Mikroskop Franz Schmidt und Haensch Berlin No. 275 im KastenWenn zu diesem Zwecke die besten Instrumente, wie immer, vorzuziehen sind, so sind diese doch nicht gerade nothwendig. Im Gegentheil genügen dazu schon Mikroskope mit mäßigen Vergrößerungen, wobei ich jedoch darauf aufmerksam mache, daß schlechte Mikroskope, welche eine starke Vergrößerung prätendiren, in der Regel weniger brauchbar sind, als gute Instrumente mit sehr mäßiger Vergrößerung.
Auf meine Veranlassung hat der Optiker Hänsch in Berlin (Karlsstraße 8) kleine Mikroskope eigens zu diesem Zweck eingerichtet. Dieselben geben eine 100 bis 180fache Vergrößerung und kosten nur 10 bis 12 Thlr.

[...]
Ebenfalls sehr empfehlenswerth sind die einfachen Mikroskope (Simplex) des berühmten Optikers Schiek in Berlin (Marienstraße 1), welche nicht so starke Vergrößerung liefern, aber um so genauer gearbeitet sind. Sie kosten 20 Thlr.
[...]
Für größere Ansprüche sind die gebräuchlichen Mikroskope zu 40-50 Thlr., wie sie Hänsch, Schiek, Wappenhans u.A. in Berlin, Belthle in Wetzlar, Hartnack in Paris u.A. liefern, zu empfehlen.

Okulare zu Mikroskop Franz Schmidt und Haensch Berlin No. 275 im KastenIm selben Jahr erbt Franz Schmidt von seinem Vater 8000 Thaler und gründet daraufhin mit Hermann Haensch am 24. April 1864 in der Dragonerstrasse 19 eine Werkstätte mit zehn Gehilfen. Schmidt ist verantwortlich für den Bau von Saccharimetern und ähnlichen Polarisationsinstrumenten während Haensch seine Produktpalette von Mikroskopen und Spektroskopen weiterführt.

Der gute Ruf der Qualität der Polarimeter aus jener Werkstatt sorgt im Laufe der Jahre für eine nahezu monopolartige Stellung der Firma auf diesem Gebiet. Da beim Bau von Saccharimetern und Spektroskopen aller Art kein vergleichbarer Konkurrenzdruck wie beim Bau von Mikroskopen besteht, verschiebt sich die Ausrichtung der Produkte der Firma immer weiter vom Mikroskopbau weg. Obwohl eine besondere Art des Trichinenmikroskops zur mechanisch gekoppelten, systematischen Absuche der Kompressorien entwickelt wird und auch Spezialmikroskope für die Wissenschaft gebaut werden, tauchen so 1893 keine Mikroskope mehr aus der Werkstätte von Franz Schmidt & Haensch auf.

Mikroskop Franz Schmidt und Haensch Berlin No. 275Detail des Mikroskops Franz Schmidt und Haensch Berlin No. 275Pieter Harting (Pieter Harting: Das Mikroskop. Theorie, Gebrauch, Geschichte und gegenwärtiger Zustand desselben. Deutsche Originalausgabe, vom Verfasser revidirt und vervollständigt; herausgeben von Dr. Fr. Wilh. Theile; in drei Bänden; zweite wesentlich verbesserte und vermehrte Auflage; Verlag Friedrich Vieweg und Sohn; Braunschweig 1866: III, 193-194) schreibt zu den Mikroskopen aus dieser Werkstatt:

Seit 5 Jahren kommen noch aus einer anderen Berliner Werkstätte Mikroskope, nämlich von Franz Schmidt und Haensch (Dragonerstrasse 19).
[...]
Ihr Gestelle, in sechserlei Grössen, scheinen nach den Abbildungen im Preiscourante eine zweckmässige Construction, jedoch ohne neue Einrichtungen zu haben; es sind grösstentheils Copien von Oberhäuser'schen und Nachet'schen Gestellen.
[...]
Ich habe nur ein mittelgrosses Instrument zu untersuchen Gelegenheit gehabt, das mit den Objectiven Nr. 1, 2, 4 und 6 nebst 3 Ocularen mit 65 Thalern im Preiscourante steht. Es ist ein gutes Arbeitsmikroskop, sorgfältig gearbeitet, mit einfacher aber zweckmässiger mechanischer Einrichtung. Mit ausgezogenem Rohr hat es nur 30 Centimeter Höhe, und es kann eine geneigte Stellung bekommen. Der Objecttisch dreht sich um die optische Axe; der Spiegel kann nach vorn, aber auch zur Seite gebracht werden, behufs schiefer Beleuchtung. Die drei Objective des von mir geprüften Mikroskopes haben folgende Brennweiten:

Nr. 1...18,5 Millimeter
Nr. 3...4,0 "
Nr. 6...3,2 "

Die drei Oculare vergrössern in dem Verhältnisse von 1: 1,5 : 2,5. Bei centrischer Beleuchtung wird mit Nr. 3 an einem Norbert'schen Probetäfelchen mit 30 Gruppen die 8. Gruppe och ganz deutlich unterschieden und bei der nämlichen Beleuchtung mit Nr. 6 die 10. Gruppe. Bei beiden Objectiven sind die Bilder durch Schärfe und Helligkeit ausgezeichnet.
Sollten die stärksten Objective Nr. 8 und 9 verhältnismässig eben so tüchtig sein, so würden die Mikroskope von Schmidt und Haensch zu den besten jetzt in Deutschland gelieferten gehören.

Stativ Nr. 4 von Franz Schmidt und Haensch Berlin; Abb. aus: Hermann Hager: Das Mikroskop und seine Anwendung; sechste durchgesehene und vermehrte Auflage; Verlag von Julius Springer; Berlin 1879: p. 38, Fig. 33Die Preise der Objektive werden angegeben zu: Nr.1 ...4 Thaler; Nr. 1 + 2 .... 6 Thaler; Nr. 1 + 2 + 3 ...8 Thaler und Nr. 4...10 Thalern. Der Beschreibung nach begutachtet Harting ein zu dem hier gezeigten Instrument identisches Mikroskopstativ.

Das hier gezeigte Mikroskop erscheint im Preisverzeichnis von 1865 als Mikroskop No. 4 wie folgt (Carl Nägeli, S. Schwendener: Das Mikroskop / Theorie und Anwendung desselben. Wilhem Engelmann; Leipzig 1867: 648-649)

Franz Schmidt & Haensch in Berlin. *)
Dragonerstrasse No. 19
Preise in Thalern.)
1865.

A. Zusammengesetzte Mikroskope.

[...]

3. Mikroskop No. 2. Kleines Modell Schiek. Die grobe Einstellung durch Verschieben des Tubus, die feine durch eine Mikrometerschraube, welche den Objecttisch in eine schiefe Ebene legt; mit 2 Ocularen, System 1 und 2, 4. Objectträger und Deckgläser in einem verschliessbaren Mahagonikasten. Linearvergrösserung 20- bis 350mal...35 Thlr.

[...]

5. Mikroskop No. 4. Complettes Instrument, zum Ueberlegen construirt, der Tisch um seine Axe drehbar, die grobe Einstellung durch Verschieben des Tubus, die feinere mittelst Cylinder und Mikrometerschraube am Tubus. Bei Anwendung schiefer Beleuchtung ist die Cylinderblende durch den untere dem Objecttisch befindlichen Schlitten seitlich zu entfernen. Höhe des Instruments bei ausgezogenem Tubus 11", Grösse des Tisches: 3" lang, 3" breit. Zubehör: 3 Oculare, System 1 und 2, 4, 6. 1 Ocularmikrometer, Objectträger und Deckgläser; in einem verschliessbaren Mahagonikasten. Linearvergrösserung 20- bis 750mal...65 Thlr.
Dieses Modell, von usn nach den bekanntesten Verbesserungen grösserer Stative zusammengestellt, erlauben wir uns ganz besonders zu empfehlen, da es den Anforderungen theurer Stative entspricht, und mit den Hülsapparaten wie Polarisation etc. einzurichten ist.

*) Das vollständige Preisverzeichnisse [sic!] dieser Firma (mit 122 Nummern und 16 Abnbildungen) ist durch die Hirschwald'sche Buchhandlung in Berlin zu beziehen.

Mikroskop Franz Schmidt und Haensch Berlin No. 275 im KastenWenige Jahre später bildet Herman Hager in seinem Werk Das Mikroskop (Hermann Hager: Das Mikroskop und seine Anwendung; sechste durchgesehene und vermehrte Auflage; Verlag von Julius Springer; Berlin 1879: 36-39) das hier gezeigte Stativ ab und beschreibt es wie folgt:

Nachdem die Theile, aus welchem ein Mikroskop construirt wird, besprochen und nach ihren Zwecken erklärt sind, mögen hier die Abbildungen zweier Mikroskope (Fig. 32 und 33) aus der Werkstatt der Optiker Franz Schmidt und Haensch in Berlin, einen Platz finden.
[...]
Ein Instrument zum Ueberlegen, um damit in gewöhnlicher sitzender Stellung zu arbeiten, ist das Mikroskop No. 4 der erwähnten Firma (siehe die Fig. 33 auf Seite 38). Dieses gehört nun schon zu den vollständigeren Mikroskopen (Preis 195 Rmk.) und hat eine solche Einrichtung, dass es mit den meisten, etwa nöthig werdenden Hilfsapparaten wie Polarisation, Zeichenprisma etc. ohne Weiteres nachträglich versehen werden kann. Der Objecttisch ist um die optische Axe drehbar, eine ganz vorzügliche Vorrichtung für schiefe Beleuchtung. Die grobe Einstellung geschieht durch Verschieben des Tubus in der Hülse, die feinere mittelst Cylinders und Mikrometerschraube am Tubus. Als Blendvorrichtung ist eine Cylinderblende vorhanden, die durch den unter dem Objecttisch befindlichen Schlitten seitlich entfernt wird, wenn eine schiefe Beleuchtung in Anwendung kommt. 3 Oculare und 4 Linsensysteme gewähren in ihrer Combination 20- bis 750malige Vergrösserungen.

Das hier gezeigte Mikroskop geht vor 1945 in den Besitz von Gerhard Willert, Tangerhütte über und kann von dessen Sohn im Januar 2008 für die Sammlung erworben werden.

[Vergleiche Referenz 40, 90, 95, 102 sowie Mikroskopsammlung des Polytechnischen Museums Moskau: Mikroskop mit Seriennummer "No. 1098", Inventurnummer PM 008100 (MIM 189)]



25.03.2008 by Timo Mappes

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