Mittleres Reichert-Mikroskop


Reichert # 3292, Stativ III Reichert # 3292, Stativ III Reichert # 3292, Stativ III Reichert # 3292, Stativ III

Reichert # 3292 mit Kasten und Zubehör

Frühes Mikroskop von Reichert; Stativ III aus Vollmessing, Wien um 1886. Zaponiertes und geschwärztes Messing, Stahl.

Dieses Instrument verfügt über einen Auszugtubus, einen Grob- und Feintrieb, sowie als Belechtungsapparat einen seitlich verstellbaren Konkav- und Planspiegel mit Lochblende in Schiebehülse und Schwalbenschwanzführung.
Reichert # 3292, SignaturReichert # 3292, OptikenAuf dem Tubus ist das Mikroskop dekorativ signiert:

C. Reichert
VIII Bennogasse 26
Wien

Im Kasten wurde die Seriennummer eingebrannt: No. 3292  

Im Kasten befinden sich in gesondertem Lederkästchen die Objektive Nr. 3 und Nr. 7a , sowie ein Okular 3 und 4. Mit dieser Ausstattung ist eine Vergrößerung von 80- bis 440-fach möglich.

An diesem sehr gut erhaltenen Instrument von Carl Reichert erkennt man an den relativ kleinen, glatten Grobtriebrädern die Parallelen zum Design jener der Firma Ernst Leitz Wetzlar. Dieses Stativ wurde ohne optische Zusätze im "Preisverzeichniss der Mikroskope, Mikrotome und Nebenapparate von C. Reichert in Wien" im Jahre 1885 gelistet als [Preise in österreichischen Gulden, Reichsmark und Francs]:

No.III 8. Mittleres Stativ. Ohne Drehung um die optische Axe, grobe Einstellung durch Tubusschiebung,
feine durch Mikrometerschraube, Zylinderblendung mit Schlitten, Spiegel plan und konkav, seitlich verstellbar

... 40 fl. 70 M. 88 Fr.

9. Dasselbe zum Umlegen eingerichtet ... 46 fl. 80 M. 100 Fr.

10. Dasselbe dto. grobe Einstellung mit Zahn und Trieb ... 56 fl. 100 M. 125 Fr.

Das Objektiv Nr. 3 kostete 1885 dazu 17 Mark, Objektiv Nr. 7a weitere 38 Mark und die Okulare 3 und 4 je 7 Mark. In summa kam das Instrument in der vorliegenden Ausstattung damit auf einen Preis von 169 Mark.

Reichert # 3292, ObjektiveReichert # 3292, Stativ III - Zusatzsignatur

Dieses Mikroskop verfügt über eine weitere Signatur auf dem dem Benutzer zugewandten Teil des Hufeisens:

Wood
late Abraham
Agents
Liverpool

George S. Wood übernimmt 1875 in Liverpool den Betrieb "Abraham and Co." und handelt mit optischen Instrumenten. An wen dieser Händler das Mikroskop ursprünglich verkauft, ist nicht mehr rekonstruierbar. Als gebrauchtes Instrument wird es in den 1930ern von Herrn Moore, dem Chef-Chemiker und Metallurge von "Canon Industries" in den West Midlands für seinen Sohn als Geschenk erworben und von diesem im Jahre 2002 veräußert.

Reichert # 3292, Blendapparat

Carl Friedrich Wilhelm Reichert wird am 26.12.1851 in Sersheim, Württemberg geboren. Nach dem frühen Tod seiner Eltern lebt er bei seinem Großvater und geht in Bietigheim zur Schule. Eine Mechanikerlehre beginnt er 1865 bei W. Stierle, Heilbronn. Parallel dazu besucht er die gewerbliche Fortbildungsschule. Nachdem er als Geselle in mehreren mechanischen Unternehmen gearbeitet hat, reist Reichert über Mainz, Köln, Duisburg, Essen, Hannover nach Hamburg. Später zieht es ihn nach Berlin, wo er bei Siemens und Halske Arbeit findet. Schon 1870 fährt der junge Reichert via Leipzig, Dresden und Prag nach Wien. Bedingt durch den deutsch-französischen Krieg verläßt Reichert Wien und zieht mit gleichgesinnten Mechanikern nach Neuchâtel in die Schweiz. Kurze Zeit lebt Reichert danach in Karlsruhe, von wo aus er im Frühjahr 1872 in Pforzheim auf die Firma Öchsle stößt. Beim Vater des damaligen Besitzers war zufällig auch Ernst Leitz in die Lehre gegangen und so kommt es, dass Reichert nach Wetzlar zieht. Ursprünglich ist eine Beteiligung Reicherts an den Leitz'schen Werkstätten geplant. Nach einem einjährigen Aufenthalt bei Hartnack, Potsdam kehrt Reichert 1875 nach Wetzlar zurück, störte sich aber daran, dass Frau Leitz sich zunehmend in die Geschäfte einmischt.

Reichert # 3292, Stativ III mit Grobtrieb

Reichert # 3292 eingebrannte SeriennummerReichert # 3292 im KastenEinvernehmlich trennt sich Reichert von Leitz und übersiedelt mit zwei Mechanikern im November 1876 in die Mölkergasse 3, Wien. Dort werden nach Hartnack'schem Vorbild Mikroskope hergestellt.

Als sich das Unternehmen gefestigt hat, übersiedelt die Werkstatt im Jahre 1878 in die Laudongasse 40 und Reichert nimmt im gleichen Jahr die Schwägerin von Ernst Leitz zur Frau, welche jedoch schon im März 1881 an Kindbettfieber stirbt. Mitte November des selben Jahres heiratet Reichert die Schwester seiner verstorbenen Frau. Die Werkstatt ist 1881 ebenfalls umgezogen und befindet sich nun in der Bennogasse 26.

Der erste Erfolg der Firma ist die Pariser Ausstellung 1878. Der damalige österreichische Generalkommissär der Optik und Mechanik, Freiherrn von Wertheim veranlaßt Carl Reichert das junge Unternehmen hier mit seinen Mikroskopen vorzustellen. Der Firma kann sämtliche ausgestellten Instrumente verkaufen und bekommt die große Goldene Medaille verliehen.

Derart ausgezeichnet laufen rasch viele Bestellungen weiterer Mikroskope in Wien ein - mit 50 Mitarbeitern verkauft Carl Reichert bereits 1883 sein Mikroskop Nr. 1000.

Das universelle Stativ Reicherts nach dem Vorbilde Hartnacks wird 1889 auf der Pariser Weltausstellung wiederum mit der Goldenen Medaille ausgezeichnet.

Im Jahre 1891 wird die Seriennummer 10000 erreicht und noch vor der Jahrhundertwende kann das 20000ste Mikroskop 1898 die Werkstatt verlassen.

Am 12.12.1922 verstirbt der Kaiserliche Rat Carl Reichert in Wien.

[Vergleiche Referenz 2, 3, 9, 22, 25, 82 sowie "Quekett Journal of Microscopy", 2001, 39, S. 59-72]



04.11.2002 by Timo Mappes

home Mikroskopie Spektroskopie Varia

© 2002 by Timo Mappes, Germany